LOHENGRIN

ROMANTISCHE OPER IN DREI AKTEN VON RICHARD WAGNER


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FOTOS 1-60 © Siim Vahur 2023 / FOTOS a-k © Helmut Camillo Fischer


PRODUKTION
 

Estnische Nationaloper Tallinn
(Rahvusooper Estonia)
Künstlerische Leitung: Arvo Volmer
Premiere: 25 mei 2023

Musikalische Leitung: Arvo Volmer
Dirigent: Arvo Volmer / Kaspar Mänd
Regie / Bühnenbild / Licht: Michiel Dijkema
Kostüme: Jula Reindell

Lohengrin: Uwe Stickert / Cosmin Ifrim
Elsa: Charlotte-Anne Shipley / Silja Aalto
Telramund: Leonardo Neiva / Rauno Elp
Ortrud: Helen Lokuta / Maria Berezovska / Helen Lepalaan
Heinrich: Priit Volmer / Pavlo Balakin
Heerrufer: Raiko Raalik / Jassi Zahharov
Gottfried: Roland Upkin / Robin Lucas Põld

Chor, Extrachor, Kinderchor und Statisterie der Estsnischen Nationaloper
Orchester der Estnische Nationaloper


PRESSESTIMMEN

„Dijkema denkt nach, er kennt sich mit Musik aus, er überzeugt auch als Designer und er versteht es, mit Sängern eine Rolle zu erarbeiten.“

„Allerdings greift Michiel Dijkema, Regisseur von Lohengrin in Tallinn, auf Wagners ursprüngliche Idee zurück – den Kampf zwischen Dunkelheit und Licht, dämonischem und himmlischem vor dem Hintergrund des Kriegszustands. [...] Dijkema scheint eine der Ausnahmen in der heutigen zunehmend dilettantischen Opernregie zu sein: Er denkt nach, er kennt sich mit Musik aus, er überzeugt auch als (Licht-)Designer und er versteht es, mit Sängern eine Rolle zu erarbeiten. Leider sind diese Komponenten alles andere als selbstverständlich, und noch schlimmer: Sie existieren nicht nebeneinander. Der abstrakt-figurative Charakter des Bühnenbildes und insbesondere des Lichtdesigns unterstützen die Charaktere und stehen im Einklang mit Wagners Musik, die tausende Nuancen und damit auch psychologische Feinheiten zum Vorschein bringt.“

Kristel Pappel
Muusika
September 2023

„dieser Lohengrin zeigt Relevanz und Perspektiven für die heutige Opernkunst auf“

„Die Entwicklung der Charaktere ist vielseitig. Elsa ist ein Opfer, sie kann aber auch temperamentvoll für sich einstehen, ihre gewisse Labilität drückt sich in ihrer Nervosität gegen Ende der Oper aus [...]. Ortrud ist eine der interessantesten Figuren in Estlands „Lohengrin“, Vorläuferin der Femme-Fatale-Figuren des Fin de Siècle: verspielt, aufgesetzt, eine gefährliche Meisterin der heidnischen Hexerei, die in den Tiefen ihres Herzens Sehnsucht zu haben scheint nach wahrer Liebe und Güte, die sie dann sofort ablehnt.
Ausführlich ausgearbeitet sind umfangreiche Dialogduette der Figuren (Ortrud-Telramund, Elsa-Ortrud, Elsa-Lohengrin), in denen die Figuren kommunizieren, reagieren, ihre Körpersprache dem Inhalt der Szene entspricht, einen Subtext liefert.
Am Ende von Dijkemas Inszenierung betritt Lohengrin die Bühne mit einem leblosen Schwan (in den Ortrud Elsas Bruder Gottfried verwandelt hatte), doch wie durch ein Wunder ist der junge Gottfried noch am Leben. Der letzte Blick des Publikums richtet sich jedoch auf Ortrud, die auf der Bühne auf Elsa und Gottfried zugeht, die Goldkette in der Hand, mit der sie Gottfried einst in einen Schwan verwandelte... Gehört der endgültige Sieg den heidnischen Mächten?
Es ist sehr gut, dass das Theater am Ende der Saison diesen „Lohengrin“ präsentierte, der die Relevanz und Perspektiven für die heutige Opernkunst aufzeigt.“

Kristel Pappel
Muusika
September 2023

„Leere, dunkler als Musik […] eine eindringliche, magische Atmosphäre“

Die sichtbare Welt ist untröstlich und unter der Oberfläche glüht eine inbrünstige Hoffnung.
Lohengrin, nach fast hundertjähriger Pause in Estland auf die Bühne gebracht, ist dynamisch und packend.
Die Geburt der Neuproduktion von Wagners Oper Lohengrin, die auf der Bühne der Estnischen Nationaloper angekommen ist, stand offensichtlich unter guten Sternen. Obwohl es sich um die dritte Lohengrin-Inszenierung in der Geschichte des Theaters handelt, sind seit dem letzten Mal fast hundert Jahre vergangen, da während der Sowjetzeit die Tradition der Wagner-Aufführung, die zuvor im Tallinner Theater florierte, aus ideologischen Gründen unterbrochen wurde.
Jedes Werk dieses großen deutschen Meisters auf die Bühne zu bringen, ist für das Opernhaus an sich schon eine Bewährungsprobe und ein Großereignis. Der ferne Ausgangspunkt dieses Unterfangens liegt 20 Jahre zurück, als Arvo Volmer den niederländischen Regisseur Michiel Dijkema, der damals noch am Anfang seiner Karriere stand, einlud, in Estland Regie zu führen. Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit entstand 2006 die Inszenierung von Rossinis La Cenerentola, für die er ein Jahr später mit dem jährlichen Estnischen Theaterpreis ausgezeichnet wurde. Mittlerweile hat sich Dijkema zu einem erfahrenen und angesehenen Regisseur und Künstler entwickelt, der an vielen Opernhäusern auf der ganzen Welt gearbeitet hat.
Die von Dijkema geschaffene Produktion und Gestaltung zeichnet sich durch eine dunkle Farbpalette aus. Schon die erste Szene ist eloquent und bezaubernd. Eine leere Erde und dunkle Wolken, aus denen etwas fällt, das Schnee sein könnte, aber auch Asche, die letzte verbleibende Form der Materie.
Die gesamte Handlung von Lohengrin spielt sich in einer verwüsteten Umgebung unter einem dunkel bewölkten Himmel ab. Lichtstrahlen, die die Welt für einen Moment erhellen können, sind selten. Nur die Hauptfiguren heben sich mit ihren hervorstechenden Kostümen deutlich aus der umgebenden Düsternis und der abscheulichen, finstre, gruseligen Masse ab.
Leere, dunkler als Musik
Das spärliche, doch wirkungsvolle, von Vögeln inspirierte Bühnenbild und das wunderbare Lichtdesign, das eine eindringliche, magische Atmosphäre auf der Bühne schafft, spielen eine sehr wichtige Rolle für den Erfolg der Produktion.
Allerdings ist die dunkle Leere auf der Bühne dunkler als Wagners Musik. Dieser Kontrast zwischen der Trostlosigkeit der sichtbaren Welt und der brennenden Hoffnung, die irgendwo unter der Oberfläche schwelt, macht die gesamte Inszenierung dynamisch und packend.
Es bleibt die Hoffnung
Obwohl Elsa der vor ihr liegenden Herausforderung nicht standhalten kann, gibt Wagner den Menschen dennoch Hoffnung, indem er Gottfried, ihren zukünftigen Herrscher, an das Volk von Brabant zurückgibt. In der Interpretation des Regisseurs ist der Herzog ein kleines, zerbrechliches, verletzliches Kind, das in der Lage sein muss, dem Bösen der ganzen Welt zu widerstehen, denn das Böse schläft nicht. Dass es unter uns weil und das dürfen wir nicht vergessen, erinnert uns Ortrud, die bereits dabei ist, den neuen Herrscher anzugreifen.“

Ruth Alaküla
Eesti Päevaleht
24. Oktober 2023

„Eines der beeindruckendsten Bilder dieser Lohengrin-Inszenierung ist die Hochzeitsnacht“

„Die Inszenierung von Richard Wagners Oper Lohengrin an der Estnischen Nationaloper verwendet klare Metaphern und strebt bei Design und Kostümen nach Zeittreue.
Die Handlung des Schwanenritters spielt sich in der fernen ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts ab. Ein Blick auf die Bühne lässt keinen Zweifel daran, dass Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema nichts mehr und nicht weniger wollte, als das Publikum ins Mittelalter zu entführen. Zur Epoche, das bedeutet in erster Linie kalte Waffen, Rüstungen und einen Kleidungsstil, der sich durch viele Falten vom heutigen unterscheidet. Das sagenumwobene Mittelalter – die Ära der starken Dunkelheit, aber auch der großen Helden. Was könnte edler sein, als ein Schwert zu halten, um für seine Geliebte zu kämpfen? [...]
Eines der beeindruckendsten Bilder dieser Lohengrin-Inszenierung ist jedoch die Hochzeitsnacht von Lohengrin und Elsa. Abseits von historisierenden Rüstungen und Kostümen wirken die barfüßigen Sänger glaubwürdig und ihre Stimmen anders.
Göttliche Macht, deren Natur niemand genau kennt und nach der man nicht einmal fragen kann – das ist auch die Geschichte von Wagners Lohengrin. Die Musik vermittelt dem Betrachter, dass man durch die Hingabe an eine undefinierte Kraft ein Hochgefühl und ein beispielloses Gefühl der Sicherheit verspürt. Doch ich glaubte an Elsa, die Tragödie ihrer Frivolität und ihres Glaubens an etwas, das nicht wirklich existiert. Sowie an den Ruhm Lohengrins“

Andrus Karnau
Postimees
27. Juni 2023

„fesselnd vom Anfang bis zum letzten Ton“

„In diesen seltsamen Zeiten ist es spannend, eine Produktion zu erleben, in der jede wesentliche Nuance, jedes spärliche Bild szenisch einen klaren Subtext hat, der vom Beginn der Oper bis zum letzten Klang des Orchesters fesselt. […] Das Wichtigste ist, dass in dieser estnischen Produktion in jeder Hinsicht gängige Stereotypen vermieden wurden.
[...] Mit der Lichtgestaltung wird die leuchtende Skala in Kontrast gesetzt zum dunklen, zu Asche verbrannten Land, mit seinem ständigen Machtkampf zwischen den Clans, voller Hass, grausamer und brutaler Leidenschaft für die Zerstörung. Der Wunsch, alles zu vernichten, ist edel und heilig. Sicherlich hat derselbe Gedankengang ein klares Gegenstück in Wagners Musik.“

Tiiu Levald
TMK (Teater. Muusika. Kino)
September 2023

„Dijkemas Vision dieses Meisterwerks ist gültig und tiefgreifend“

„Ich habe diese Beispiele nur angeführt, um zu zeigen, wie gültig und tiefgreifend Michiel Dijkemas Vision dieses Meisterwerks ist, sowohl als Regisseur als auch als Bühnen- und Lichtdesigner. In diesem Fall ist das hervorragende Ergebnis zudem auf die offensichtlich gemeinsame Gedankenwelt von Regisseur und Kostümbildner zurückzuführen.
Wagner hat dieser Oper kräftige Chornummern eingeschrieben [...] In den dramatischen Szenen hat der Regisseur gekonnt lebhafte Gruppen geschaffen, die dem Zuschauer manchmal den Eindruck eines geschäftigen Ameisenhaufens vermitteln.“

Tiiu Levald
TMK (Teater. Muusika. Kino)
September 2023

„Vogelknochen und Ascheberge […] gruseliges Drama […] eine starke Bereicherung des Repertoires“

Gesänge über Asche und Schwan
Wie immer bei Wagner bilden Schwanentexte, mythisch-religiöse Bilder und Politik ein widersprüchliches Trio, dessen richtiges Verhältnis eine der zentralen Fragen jeder Neuinszenierung ist. [...]
Wenn wir den blutbefleckten Naturalismus, die Vogelknochen und die Ascheberge von Dijkemas Inszenierung hinzufügen, dann gibt es mehr als genug gruseliges Drama.
In ihren schwarzen Lumpen sehen die Chormitglieder aus, als hätten sie in den Aschebergen der Minen in Ost-Virumaa gebadet. Auf diese Weise fungieren sie unpersönlich als menschliches schwarzes Loch, das die Charaktere aufnimmt, oder sie bei Bedarf als Sichtschutz verdeckt.
In Dijkemas Lohengrin ist die Nutzung des Bühnenraums vielversprechend. Es wurde viel darüber gesprochen, wie schwierig es sei, auf der engen Bühne der Estnischen Nationaloper zu inszenieren. Ein etwas weniger bekanntes Merkmal ist die Tiefe der Bühne, die im Lohengrin mit großer Wirkung genutzt wurde. [...] Bei Lohengrin ist die Angst vor dem hinteren Bühnenrand überwunden und die akustischen Mängel in einen Vorteil umgewandelt worden. Natürlich ist der Klang aus dem hinteren Teil der Bühne nicht so klar, aber genau das verleiht der Aufführung ein räumliches Gefühl des Wechsels von Nähe und Distanz, das besonders gut zu der Handlung rund um die Ankunft und Abreise Lohengrins passt. [...]
Dijkema geht in seiner Interpretation im Vergleich zu den oben genannten einen deutlich konservativeren Weg, da die visuellen Elemente des Stücks größtenteils innerhalb des im Libretto reflektierten Bilderkreises bleiben. Als roter Faden wurde ein Schwan oder allgemeiner ein Vogelthema gewählt: im ersten Akt eine schwarze Einöde mit Vogelschädeln, im dritten Akt das Nest von Elsa und Lohengrin und von der Decke herabsteigende Raubvogelklauen.
Dieser Lohengrin ist eine aschefarbige Inszenierung, bei der außer dem Schwanenritter niemandes weiße Brust sauber bleibt. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass Lohengrin eine starke Bereicherung des Repertoires darstellt“

Aare Tool
Sirp
2. Juni 2023